Schreberjugend, wer denkt da nicht zuerst an die deutschen Schreber- und Kleingärten, die ihre feste Verwurzelung im Leben breiter Bevölkerungskreise in unserem Land gefunden haben.
Kleingarten-Idylle, selbstgezüchtetes Gemüse und Lauben-Romantik sind ein weit verbreitetes Bild über die Welt der Kleingärtner. Doch die Kleingärten sind auch eine der letzten privaten Zufluchtsstätten in unserer allseitig zu betonierten und vergifteten Umwelt. Sie bieten die Möglichkeit der Erholung vom Stress des Alltages, der intensiven Beschäftigung mit Pflanzen und Tieren, des hautnahen Naturerlebens und schließlich stellen sie mit ihren weiten Grünflächen auch eine lebenswichtige klimatische Versorgung (Sauerstoff- und Filterwirkung) insbesondere in städtischen Ballungsgebieten dar.
Doch die Wurzel dieser heutigen Gartenanlagen und unseres Jugendverbandes liegt an anderer Stelle. 1864 wurde der erste Leipziger Erziehungsverein „Dr. Schreber“ gegründet, in Andenken an den Arzt und Anthropologen Dr. Daniel Gottlieb Moritz Schreber (1808-1861). Schreber hatte sich in seiner Tätigkeit als Arzt und Orthopäde für eine freie Betätigung der körperlich ausgebeuteten Arbeiterkinder auf Spielplätzen und Sportanlagen eingesetzt und geschrieben, dass das Spiel von Kindern und Jugendlichen, der Sport und insbesondere das Turnen wichtige Teile der allseitigen gesunden Entwicklung der Jugend sein sollten und von den Behörden und allen an der Erziehung beteiligten Kräften dringend gefördert werden müssten. Er gründete 1845 den ersten Leipziger Turnverein der allgemeinen Jugenderziehung und Jugendpflege.
Nach seinem Tode machte es sich der erste „Schreberverein“ in Leipzig in seiner Satzung zur Auflage, „neben der Behandlung erzieherischer und schulischer Fragen für die Jugend große, freie Spielplätze zu schaffen und auf ihnen gemeinsame, planmäßige und überwachte Spiele einzurichten und zu unterhalten.“ Damit war der Schreberverein als Erziehungsverein geboren.
Der heutige „Schrebergarten“ ist ein Anschlussprodukt dieser Vereinsbemühungen. Im Rahmen naturverbundener Erziehung wurden Experimente mit Beeten unternommen, die von Kindern angelegt und unterhalten wurden. Doch bald lag das so bestellte Land brach, die Kinder hatten die Lust an so langfristigen Tätigkeiten verloren und widmeten sich mehr den zwischenzeitlich aufgestellten Spiel- und Sportgeräten. Ihre Eltern übernahmen die Beete, bewirtschafteten sie, zäunten sie bald ein, errichteten kleine Holzbauten für Gartengeräte und Schlechtwetter und bildeten Gemeinschaften von „Schrebergärtnern“. Daraus entwickelte sich in Sachsen und in einigen Provinzen Preußens die „Schrebergartenbewegung“, die schon bald nach der Jahrhundertwende Mitgliederzahlen aufweisen konnte.
Als nach dem 1. Weltkrieg die Schrebergartenbewegung im ganzen Reich verbreitet war und überregionale Organisationen bildete, wurde auch die ursprüngliche „Schreberjugendarbeit“ wieder stärker beachtet. Die Jugendgruppen und die Jugendleiter kümmerten sich in den Kleingartenanlagen um die Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Sie führten Turn- und Sportveranstaltungen, Schularbeitszirkel, Rad- und Wanderfahrten, Erholungslager in den Kleingartenanlagen, sog. „Milchkolonien“ und später auch spezielle Angebote für arbeitslose Jugendliche durch. Auch die Schreberjugend organisierte sich reichsweit. Als Fachsparte der Kleingartenorganisation war sie in den meisten Kolonien vertreten und nahm in ihren Konferenzen auch zu aktuellen jugendpolitischen Problemen Stellung.
Folgerichtig wurde sie als Arbeiterjugendverband 1934 von den Nationalsozialisten verboten, ihre Organisationsstruktur im Rahmen der Kleingartenorganisationen „gleichgeschaltet“. Doch schon bald nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gründeten sich neue Schreberjugendgruppen, die sich als erste in Norddeutschland zur „Arbeitsgemeinschaft Schreberjugend“ zusammenschlossen. 1951 war der überregionale Aufbau soweit abgeschlossen, dass auf dem Verbandstag Deutscher Kleingärtner in Hannover die „Deutsche Schreberjugend“ als eigenständiger, unabhängiger Jugendverband gegründet werden konnte.
1954 wurde die Deutsche Schreberjugend als Vollmitglied in den Deutschen Bundesjugendring aufgenommen.
Natürlich sind wir als selbständiger Jugendverband seitdem längst in unserer Arbeit über den „Gartenzaun“ hinausgewachsen.
Als parteipolitisch und konfessionell ungebundener Jugendverband verstehen wir Jugendarbeit als Teil einer allgemeinen gesellschaftlichen Erziehung. Durch Bildungs- und Gemeinschaftsaktivitäten soll zur Emanzipation des jungen Menschen mit dem Ziel der Selbstverwirklichung und der aktiven Mitgestaltung dieser Gesellschaft beigetragen werden.
Inhaltlich liegt unsere Aufgabe darin, den Kindern, Schülern, Auszubildenden und jungen Arbeitnehmern die gesellschaftlichen Bedingungen in den verschiedenen in den verschiedenen Lebensbereichen aufzuzeigen und sie zu befähigen, im Rahmen einer Demokratisierung der Gesellschaft diese Verhältnisse zu verändern und selbst zu gestalten. Die politische und kulturelle Bildungsarbeit ist daher für uns ein besonderer Schwerpunkt.
Die Deutsche Schreberjugend setzt sich auch für die Probleme und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen ein, die aus gesellschaftlich benachteiligten Schichten kommen. Wer bei uns mitmachen will, muss keinen Schrebergarten haben. Die Deutsche Schreberjugend setzt sich für die Erfüllung der Grundrechte des Grundgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland ein. Organisationen und Gruppen mit faschistischem Charakter sowie solche, die dem Rassismus huldigen oder die Völkerverständigung blockieren, scheiden als Kooperations-Partner der Deutschen Schreberjugend aus.